08. September 2020

Kann man genug zuhören?

Es war hier auf meiner Seite länger still um mich. Nein, weder meine Familie noch ich hatten Gott sei Dank gesundheitlich mit Viren zu kämpfen. Aber ich gebe zu: Ja, die Corona-Debatte hat mich zwischendurch ganz schön kirre gemacht. Wann hört der Alptraum auf, dachte ich oft – und war mir gleichzeitig so dermaßen bewusst, dass Deutschland tatsächlich nicht zu den Ländern gehört, wo es wirklich wirklich schlimm war. Anders als gewohnt, das schon. Und offenbar sind unsichere Zeiten auch der ideale Nährboden für Verschwörungen.

Besonders interessant ist dabei das Thema Medienberichterstattung und wie Menschen damit umgehen, wenn die Zeiten unsicher sind. Sprechen manche von „absoluten Deppen“, wenn sie die Medien meinen, bewundern andere sie für ihre Eindeutigkeit. Manche unterstellen Journalisten sogar, sie hätten sich verschworen. Gegen was genau habe ich noch nicht verstanden, aber der Argwohn ist deutlich. Und natürlich gibt es in jeder Branche gut wie schlecht arbeitende Menschen. Aber:

Dieses Lügenpresse-Geschrei geht mir eindeutig zu weit.

Und dabei spreche ich noch nicht einmal von denen, die das undifferenziert auf der Straße rumbrüllen. Was qualifiziert diese Leute eigentlich zu ihrem Urteil? Etwa, dass sie RTL Explosiv kennen? Ich äußere mich doch auch nicht über Feinelektronik…

Meines Erachtens ist es vollkommener Quatsch, die Medien für alles Mögliche verantwortlich zu machen. Wer das tut, ist häufig überfordert, die tatsächlich komplexe Realität zu ertragen. Mir ging es im Frühjahr nicht anders, auch ich war schockiert – vor allem darüber, wie hilflos Schulen agierten. Und natürlich kommen in Medien nicht alle Botschaften durch, denn Journalisten werden mit Pressemeldungen bombardiert.

Auf Facebook las ich dann einen Post eines Journalisten aus alten Bonner Zeiten – also der Zeit, wo noch ganz anders kommuniziert wurde als heute. Nix mit Twitter und so, kein TikTok, das Meiste lief auf Pressekonferenzen, in Hintergrundgesprächen und Interviews. Eine Zeit, die fast noch ohne Mails auskam und in der ganz viel telefoniert wurde. (Ich als E.T. kann da mitreden 🙂 )

So las ich von Klaus Schrotthofer (mittlerweile Geschäftsfüher und Herausgeber der Mediengruppe Neue Westfälische), er habe genug zugehört. Dabei bezog er sich auf einen Artikel aus der ZEIT. Mehr oder weniger betonte der Autor darin, dass es nicht lohne, gewisse Botschaften zu hinterfragen: Was unglaubwürdig sei, würde auch durch weiteres Wiederholen nicht besser. Ich stellte das in Frage: Kann es eine Alternative sein nicht zuzuhören, abzublocken – und geht das dann weg, wenn man es ignoriert? Diese Taktik klappt ja schon im Privaten nicht.

Meine Frage war komplex. Und wie das mit facettenreichen Fragen so ist, sind einfache Antworten nicht zu erwarten. Wer weiß schon, wie man am besten mit Menschen umgeht, die aus welchen Gründen auch immer verzweifelt sind. Aber ich habe besagten Journalisten kontaktiert und wir vereinbarten ein Interview über die Glaubwürdigkeit im Journalismus. Klaus Hauptthese darin ist:

„Medien sind nicht fehlerfrei aber frei.“

Und so glaube ich weiter daran, dass unser Land ganz viele gute Medienmacher hat. Leider gibt es stets auch diejenigen, die sogar ihre Omma verkaufen würden für einen Nachrichtencoup; die meine ich natürlich nicht. Aber ich meine – wie Klaus – die vielen vielen Journalisten*innen, die tagtäglich ihren Job tun. Danke, dass ich aus einem Berg von Zeitungen wählen kann, dass ich egal wann auch immer das Fernsehen oder Radio einschalten kann. Dass wir Heerscharen von Blogs und andere alternative Nachrichtenseiten im Netz haben und dass wir für unsere Meinung auf die Straße gehen können, wenn wir denn wollen.

Und ich vergesse auch die nicht, die mir – neben den Profi-Journalisten – dieses Jahr sehr geholfen haben, meinen Weg durch die Coronakrise zu finden. Bekannte und Freunde, die selbst recherchierten und dabei interessante Ergebnissen fanden und finden. Manches davon wurde auch in meinem Blog veröffentlicht (z.B. die Erkenntnisse des Mathematikers Martin Reents oder des Biologen Peter Voss). Denn nach wie vor ist die Corona-Verunsicherung ja groß. Was kann man glauben? Ich habe viel gelernt, indem ich unterschiedliche Quellen prüfte. Auch Uwe Alschner, der Historiker, gräbt immer wieder Spannendes aus. Wir sind dabei oft anderer Meinung, halten uns aber gegenseitig aus.

Nur sollte man sich, sagte eine Bekannte kürzlich, „irgendwann entscheiden, wohin man tendiert – immer alles lesen, geht nicht. Ich habe meinen Weg gefunden.“ Und genau so mache ich es auch: Ich höre weiter zu, forsche nach alternativen Fakten, konsumiere aber beileibe nicht mehr alles. Bleibe ansprechbar, bitte jedoch um Verständnis, wenn es mich überfordert oder auch mal einfach nicht interessiert.

Dann höre ich am liebsten meinem 9-jährigen zu, was er so alles in seiner Grundschule erlebt.

Und das ist oft merk-würdig genug!

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Ein Kommentar zu “Kann man genug zuhören?”


  • Dirk G. Hilbert

    Hallo Elke! Gerade die Situation rund um Corona hat gezeigt, dass man eigentlich nie aufhören sollte zuzuhören, bzw. sich zu informieren. Das ist soviel Bewegung und Dynamik drin, dass man es sich gar nicht leisten kann, auf Grund von veraltetem Wissen mitreden zu wollen. Etwas, was viele Leute nicht verstehen und als Lügen uminterpretieren. Datenlagen ändern sich, also müssen sich auch Meinungen ändern. Einen Wissenschaftler dann der Lüge zu bezichtigen, nur weil er seine Meinung geändert hat, zeigt, dass viele Leute mit zuviel Information überfordert sind. LG, Dirk


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